Wanderfahrt auf dem Neckar

04. - 07.06.2015

„Deutschland ist im Sommer der Gipfel der Schönheit, aber niemand hat das höchste Ausmaß dieser sanften und friedvollen Schönheit begriffen, wirklich wahrgenommen und genossen, der nicht auf einem Floß den Neckar hinab gefahren ist.“ So urteilt einer, der es wissen muss. Denn Mark Twain, der zwischen den Abenteuern von Tom Sawyer und Huckelberry Finn um 1880 diese hörbar begeisterten Zeilen über den Neckar schrieb, war über viele Jahre Flößer auf dem Mississippi gewesen, bevor er sich als Schriftsteller versuchte. Irgendwann war auch Zeit zu Reisen. Aus Deutschland blieben vor allem ein dreimonatiger Aufenthalt in Heidelberg und eine Wanderung zu Fuß und auf dem Floß entlang des Neckars im Gedächtnis.


In bester Erinnerung wird der Neckar auch den Wanderfahrern der FRGS bleiben, die im Juni die etwas mehr als hundert Kilometer von Lauffen nach Heidelberg ruderten. Denn der Neckar und seine Umgebung präsentierten sich am ersten richtig sommerlichen Wochenende der Saison tatsächlich von einer ihrer schönsten Seiten.

Die von unseren Wanderruderwarten ausgetüftelte Routenplanung ließ viel Zeit zum Genießen auf und neben dem Fluss. Die Plätze, die Andreas und Martina auf ihrer Vortour für Rast und Übernachtung ausgeguckt hatten, verdienten sich allesamt das Prädikat Volltreffer. Für die Wandergruppe der FRGS, zu der dieses Mal neben Andreas und Martina noch Andrea, Andreas, Christian, Erwin, Gerhard, Götz, Maja, Marcus, Michael, Pietro und zweimal Stefan gehörten, blieb eigentlich nur noch die Aufgabe, sich prächtig zu unterhalten und die Tage zu genießen. Eine Aufgabe, der die Gruppe spätestens nach der ersten Tasse Kaffee am Morgen vollauf gewachsen war.

Los ging es am Abend vor Fronleichnam mit dem Abriggern der Wanderflotte „2+1“, „Red Lobster“ und „Schobbepetzer“. Am nächsten Tag ging es in zwei Bussen Richtung Süden. Am Ruderclub in Lauffen angekommen, begann das, was man eigentlich nur aus Dokumentarfilmen über den Ameisenstaat kennt: Der eine trägt einen Schraubenschlüssel, die andere ein Skull, einer beginnt mit der Montage eines Auslegers, wieder woanders wird Gepäck von einem Bus in den anderen verladen. Die wunderbare Ordnung hinter den Dingen erschließt sich dem Außenstehenden erst, wenn die Boote zu Wasser sind. Und dann kommen schon Steuerruder, Laufplan und Stechpaddel angetrabt.

Auf dem Neckar ging es gleich ab in die erste Schleuse. Insgesamt sollten es am ersten Tag vier Stück und bis Heidelberg ein Dutzend werden. Über 25 Kilometer ruderten wir auf der ersten Tagesetappe ohne Zwischenstopp bis nach Bad Wimpfen, wo die Stauffer im 13. Jahrhundert die größte Kaiserpfalz nördlich der Alpen unterhielten. Das wollten wir uns genauer ansehen und ließen uns also durch das kleine Örtchen führen, das mit Blauem und Rotem Turm und weiteren Bauten der alten Pfalz mächtig Ein-druck macht. An diesem Ort siedelten vor bald 2500 Jahren die Kelten und gaben auch dem Neckar seinen Namen.

Das weitere Programm am Abend lässt sich auf die Begriffe Maultaschen und Spanferkel bringen. Uns war es einerlei, ob die lokale Küche von den Kelten oder den Stauffern geprägt ist. Dass die Sperrstunde in Bad Wimpfen an einem lauen Sommerabend auf 22 Uhr fällt, würde aber beide vor Scham erröten lassen. Die FRGS trug es mit tadelloser Haltung und bestellte noch eine Runde.

Tag 2 startete in Bad Wimpfen am Bootshaus. Auf dem Programm standen drei Schleusen und 28 Kilometer bei reichlich 30 Grad Celsius. In Neckarelz machten wir ausgedehnte Rast im Ruderclub, um der Mittagshitze aus dem Wege zu gehen. Hinter der Schleuse Guttenbach bei Kilometer 72,2 angekommen, lagen wir dennoch gut in der Zeit und setzten mit Bussen nach Eberbach ins Alte Badhaus über.

Auch hier trieben sich unter anderen die Stauffer herum, die die Burg Eberbach vom Bistum Worms einst zum Lehen erhielten. Das machte in der Wandergruppe aber niemanden nervös, denn von dem alten Gemäuer ist heute nicht mehr viel zu sehen. Am Abend stand daher die Lagebesprechung auf dem Programm, die im Badhaus in Ermangelung einer Sperrstunde auch ein bisschen länger gehen durfte. Hier hätten sich auch die Kelten wohl gefühlt, von Mark Twain ganz zu schweigen.

An Tag 3 standen nicht nur zwei Schleusen und 25 Kilometer Rudern auf dem Programm, sondern laut Deutschem Wetterdienst mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ein Gewitter irgendwann am Nachmittag. Zur Mittagsrast bei der Rudergesellschaft in Eberbach hatte sich die Sonne wie an den Vortagen durchgesetzt. Als wir später die Schleuse Hirschhorn passierten, hinter der die Etappe endete, erwischten uns fünf Regentropfen, bevor es zurück nach Eberbach ging. Abendessen im „Karpfen“, der erstaunlicherweise eine Forelle auf der Karte hatte. Später aufwärmen für das Champions-League-Finale, nach dem frühen 0:1 gegen die „Alte Dame“ Juventus Turin aber auf eine Ein-wechslung verzichtet, weil am Sonntag die Schlussetappe auf dem Programm stand.

Tag 4 begann mit besten Aussichten auf das Heidelberger Schloss. 24 Kilometer und drei Schleusen mussten bis spätestens 15 Uhr aber noch bewältigt werden, weil die Schleusenmeister in Heidelberg immer sonntags um halb Vier ihren Platz verlassen. Dass wir es pünktlich zur Teestunde schaffen würden, stand nur an der Schleuse Neckarsteinach bei Kilometer 39,3 in Frage, weil wir nach Einschätzung des Schleusenmeisters zur „Rush hour“ schleusen mussten. Da ist der Frankfurter freilich ganz anderen Kummer gewohnt. Anders als beim allmorgendlichen Verkehrsinfarkt auf der Schweizer Straße oder auf der A3 lässt sich vor der Schleuse jedenfalls allerhand auf und ab, vor und zurück oder auch im Kreis Rudern. Schließlich konnten auch technische Detailfragen geklärt werden, für die im allgemeinen Ruderbetrieb zu wenig Zeit bleibt: Nein, im Schobbepetzer lässt sich keine X-Pole-Stange befestigen.

Als wir ein letztes Mal auf dieser Wanderfahrt mit einem dreifachen Hipp, Hipp, Hurra auf den Schleusenmeister zurück auf den Neckar fuhren, kamen rasch das Heidelberger Schloss und die Altstadt in den Blick. Ein großartiges Panorama, auch wenn die letzten Kilometer durch die Stadt bei kräftigem Gegenwind keine reine Promenierfahrt waren. Wenig später angekommen bei der RG Heidelberg ging es rasch ans Abriggern und Aufladen der Boote und nach der Henkersmahlzeit auf die Autobahn.

Aufgeriggert standen die Boote am Sonntag Abend wieder im Bootshaus und eine sehr gelungene Wanderfahrt ging zu Ende. Im Namen der ganzen Gruppe ein ganz großes Dankeschön an Andreas und Martina und an alle, die die Fahrt ermöglicht haben!

Die nächste Wanderung ist für den 05. und 06. September auf der Lahn geplant. Mark Twain war hier zwar nie unterwegs. „Die Bewegung des Floßes ist gerade die richtige, (...) sie schläfert alle nervöse Hast und Ungeduld ein (...) und das Leben wird zum Traum, (...) eine tiefe und stille Verzückung“, wie er über seine Fahrt auf dem Neckar schreibt, gilt aber – jedenfalls bis zum nächsten Ruderkommando –auch auf der Lahn.

Stefan Paravicini